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Chinesische Einwanderung

Es gibt hier viele Chinarestaurants, und seit einigen Jahren sprießen zudem die „Chinaläden“ wie Pilze aus dem Boden. Deshalb haben wir uns gefragt, woher die vielen Chinesen kommen und wieso sie sich hier offensichtlich problemlos niederlassen dürfen, obwohl China bekanntlich kein EU-Land ist.

Beim Surfen sind wir auf Antwort gestoßen; und zwar auf einen interessanten Artikel von Dr. Minkang Zhou, der an der Uni Barcelona arbeitet.

> Link zum Originaltext.

Und hier unsere deutsche Zusammenfassung/Übersetzung:

Geschichte und Gegenwart der chinesischen Einwanderung in Spanien

I. Herkunft der in Spanien lebenden Chinesen

Im frühen 20. Jahrhundert kamen Kinder reicher Chinesen zum Studium nach Madrid & Barcelona sowie chinesische Soldaten, die von Frankreich als Soldaten im 1. Weltkrieg aus der Region Zheijang rekrutiert wurden und sich nach Kriegsende aus Frankreich Richtung Spanien aufmachten und dort als fliegende Händler lebten und Kunsthandwerk aus Stein aus ihrer Heimatregion verkauften.

Die jahrzehntelangen Turbulenzen und Kriege in China ab Ende der 1920er Jahre (Bürgerkrieg sowie zweiter japanisch-chinesische Krieg) gefolgt von der langen Isolationszeit Chinas unter Mao hinderte die in Spanien lebenden, seinerzeit jungen Chinesen über Jahrzehnte an einer Rückkehr in die Heimat. Sie eröffneten Restaurants u.a. in Madrid, Barcelona, Malaga und auf den Kanaren. In den späten 1950er und 60er Jahren kamen Taiwan-Chinesen nach Spanien und gründeten ebenfalls zunächst Restaurants und später Handelsgeschäfte.

Als sich China Anfang der 1980er nach dem Tod Maos öffnete, flogen viele der in Spanien, Frankreich, den Niederlanden und in anderen Ländern Europas seit Jahrzehnten lebenden und mittlerweile ins Rentenalter gekommenen Chinesen in ihre Heimat in die Region Zhejiang zu Besuch, und dort insbesondere in die Ortschaft Qintian, und rekrutierten dort aus ihrem Familien-, Freundes- und Bekanntenkreis jungen Nachwuchs für ihre Restaurants in Europa.

Anfang der 90er, als es in Spanien eine Legalisierungsmöglichkeit für illegal Eingereiste gab, zogen weitere Chinesen, die in anderen Ländern Europas lebten, nach Spanien, um von der Legalisierungsmöglichkeit Gebrauch zu machen.

Vor diesem Hintergrund stammen von den heute in Spanien lebenden Chinesen 80% (!) aus der oben erwähnten Region Zhejiang, und nur 5% aus Nordost-China (Liaoning, Jilin, Heilongjian), 5% aus Zentralchina (Sichuan, Hubei), 4% aus Fujian, 4% aus Shandong und 2% aus anderen Regionen (Shanghai, Peking, Guangdong).

II. Tätigkeitsbereiche der in Spanien lebenden Chinesen

95% der nach Spanien eingereisten und einreisenden Chinesen haben Verwandte und Freunde/Bekannte in Spanien.

Es bieten sich den Einreisenden folgende legale Möglichkeiten an, um ein dauerhaftes Bleiberecht zu erhalten: Zum einen eine Einreise im Rahmen der Familienzusammenführung (davon machen 30% Gebrauch), zum anderen durch das Vorhandensein eines Arbeitsvertrages (betrifft 55%): Es wird ein Arbeitsvertrag bei den Behörden vorgelegt, auf dessen Grundlage eine Arbeitserlaubnis beantragt wird. Nach ca. 6-8monatiger Bearbeitungszeit wird die Arbeitserlaubnis erteilt, und auf dieser Grundlage wird eingereist. Es ist sehr leicht, innerhalb der großen chinesischen Gemeinde einen Arbeitsplatz zu finden und also an einen Arbeitsvertrag zu kommen.

4% der in Spanien lebenden Chinesen sind ehemalige Studenten, die nach Beendigung des Studiums in Spanien geblieben sind.

Illegal Eingewanderte: 10% der hier lebenden Chinesen reisten mit einem Geschäfts- oder Besuchervisum ein, aber nicht mehr aus, 5% sind aus anderen europäischen Ländern zugezogen und warten auf eine Legalisierungsmöglichkeit, und 1% kommen durch Schlepper her.

Die meisten Chinesen arbeiten in Spanien für chinesische Arbeitgeber, insbesondere in der Bekleidungsindustrie, in der Gastronomie, im Groß- und Einzelhandel, im In- und Export, als Hausangestellte, in Handelsunternehmen, in Reisebüros, bei Bauunternehmern, in Logistikbetrieben.
Einige arbeiten bei spanischen Arbeitgebern, dort im Baugewerbe, bei Schinkenherstellern, in Glasereien u.a.).

Bis in die 1990er lag der Arbeitsschwerpunkt der chinesischen Einwanderer im Betreiben von Restaurants. Als dieser Markt gesättigt war, wurden andere Möglichkeiten des Gelderwerbs aufgetan, und es entstanden die ersten Betriebe, in denen Bekleidung hergestellt wurde – die chinesischen Angestellten dort waren, wie auch in den Restaurants, billige Arbeitskräfte, die an allen sieben Wochentagen eingesetzt wurden. Darüber hinaus entstanden die ersten „Billigläden“ durch Importware aus der Heimat. Beide neuen Tätigkeitsbereiche wurden ein voller Erfolg und breiteten sich landesweit aus, und es folgte die Umsetzung weiterer Geschäftsideen.

Innerhalb von nur 10 Jahren haben die Chinesen in Spanien ihre Geschäftsaktivitäten sehr rasch ausgeweitet und dabei gleichzeitig profitiert vom wirtschaftlichen Aufstreben ihres Heimatlandes, und ihre hier vertriebenen Waren stammen zu 100% aus China.

III. Merkmale der chinesischen Einwanderung

Viele der Chinesen, die eingewandert sind, gehen im Rentenalter zurück in ihre Heimat. Jene, die in Spanien geboren und aufgewachsen sind, möchten weiterhin lieber in den spanischen Großstädten leben, wo sie aufgewachsen sind, als in die ländlichen Gebieten in China zu ziehen, woher ihre Eltern stammen.

In den chinesischen Familien wird sehr darauf geachtet, dass auch die hier aufwachsenden Generationen Chinesisch beherrschen. Die Kinder werden deshalb samstags in chinesische Privatschulen geschickt, und der Urlaub wird in China verbracht bei Familienmitgliedern dort. Die gibt es nach wie vor, denn es wandert nie eine komplette Familie aus: Ein chinesisches Sprichwort lautet, dass nicht alle Eier ins selbe, fremde Nest gelegt werden sollen. Vielmehr entscheiden die Familien, wer zuerst loszieht. Es werden nicht unbedingt nur männliche, sondern auch weibliche Familienmitglieder auf den Weg (vor-)geschickt.

Eine Besonderheit gibt es dabei allerdings: Sind es Männer, die losgeschickt werden, bleiben Frau und Kind zunächst in China, und sie werden – manchmal erst viele Jahre später – nachgeholt.

Sind es Frauen, die losziehen, lassen sie Mann und Kind zurück, und holen sie häufig auch gar nicht nach, sondern gehen neue, für sie bessere Wege in der neuen Heimat.

IV. Lebensstil der chinesischen Einwanderer und Ausblick

Chinesische Einwanderer behalten ihre chinesische Kultur, ihre Sitten und Bräuche, und die müssen verstanden sein, um Chinesen zu verstehen.

Das Bild der Chinesen in der spanischen Gesellschaft ist geprägt von Geheimnisvollem, Stille, Exotik und Verschlossenheit. Der größte interkulturelle Konflikt liegt wohl darin, dass Chinesen wenig reden und viel arbeiten, während in der „cultura latina“ viel Reden zum guten Ton gehört, und Arbeit als Strafe Gottes gilt.

Was Chinesen prägt, ist in erster Linie das Streben danach, hier Geld zu verdienen durch Arbeit und Handel, weshalb Chinesen die allermeiste Zeit eben damit verbringen. Reichtum symbolisiert in der chinesischen Kultur gleichzeitig Macht (und umgekehrt). Und da chinesische Einwanderer zunächst keine Möglichkeiten haben, in Spanien Macht zu erlangen, streben sie also zunächst nach Reichtum, um dann mächtig zu werden. Die verbleibende Zeit wird von Chinesen dazu genutzt, mit Freunden zu essen, um Geschäfte zu besprechen und Majiang oder Casino zu spielen – zwei Spiele, bei denen es sich ums Geld dreht.

Kulturelle sowie sprachliche Barrieren der ersten Einwanderergeneration führen dazu, dass die Chinesen unter sich bleiben und leben, wo es ihnen an nichts aus der Heimat fehlt: Lebensmittel, Restaurants, Supermärkte ausschließlich mit chinesischen Lebensmitteln, fünf chinesische Zeitungen, chinesische Friseursalons, Spielhallen, chinesische Makler und Gestorías (also Agenturen, die Behördengänge und andere bürokratische Arbeiten in Kundenauftrag erledigen) usw.

Chinesen kommen auch ohne ein Wort Spanisch zu sprechen gut klar. Das einzige, was fehlt, sind chinesische Altersheime; vielleicht, weil es nicht genug Kundschaft dafür gibt, denn viele chinesische Rentner gehen in ihre Heimat zurück.

Aber was kann auch schon erwartet werden an Integration von der ersten Einwanderergeneration, die überwiegend schlecht gebildet war und vom Land kam, und deren Ziel es war, hier Geld zu verdienen.

Die zweite Einwanderergeneration lebt zwischen beiden Welten: Spanien und China.

Mit Beginn des 21. Jahrhunderts zogen junge Chinesen zum Studium nach Spanien, und die Hälfte von ihnen ist hier geblieben. Sie sind gut gebildet, kommen aus reichen Familien oder dem Mittelstand und aus großen Städten Chinas.

Die chinesische Gemeinschaft in Spanien ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, und sie wird weiter wachsen, sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, denn China ist weltweit das Land mit den meisten Einwohnern. Vielleicht wird es in 50 Jahren eine halbe Millionen Chinesen in Spanien geben – und das nennt sich wirtschaftliche und interkulturelle Globalisierung.