Artikel über das Küstengesetz / Küstenschutzgesetz – Ley de Costas

Maßnahmen gegen Inhaber spanischer Küstenimmobilien
Enteignung, Entschädigung, Rückwirkung?

von Burckhardt Löber, Alexander Steinmetz und Fernando Lozano *)

Zahlreiche Besitzer von Küstengrundstücken auf der spanischen Halbinsel, den Balearen und den Kanaren bangen aufgrund der spanischen Gesetzgebung und der Maßnahmen der Küstenbehörden um ihr Eigentum und um ihre Grundstücksrechte. Das maßgebliche spanische Küstengesetz datiert aus dem Jahre 1988. Größere Maßnahmen aufgrund dieses Gesetzes wurden erst in den letzten Jahren durchgeführt, d.h. ca. 20 Jahre nach dem Erlass des Gesetzes. Aus Europa kommen zur Zeit Demarchen gegen die genannten Maßnahmen der spanischen Behörden.

Ziel dieser juristischen Bestandsaufnahme soll es sein, einen Versuch der Klärung der Situation vorzunehmen. Hierbei geht es um die Darstellung des öffentlichen Eigentums in der Küstenzone (zona de dominio público marítimo-terrestre), dessen Umfang und um den Eigentumsbegriff des spanischen Rechts, weiterhin um Fragen der Entschädigung für Enteignungsmaßnahmen, Fragen der Sozialbindung des Eigentums und um das Problem der Rückwirkung von Gesetzen

1. Die spanische Verfassung und das Küstengesetz von 1988:

Bereits die spanische Verfassung aus dem Jahr 1978 sieht in Art. 132 vor, dass die Meeresstrandzone zum unveräußerlichen und auch nicht durch Ersitzung zu erwerbenden öffentlichen Eigentum gehört. Das am 29.07.1988 in Kraft getretene spanische Küstengesetz (Ley de Costas, LC) erfüllt den durch die Verfassung begründeten Auftrag, diesen Bereich gesetzlich zu regeln. Es hat laut Gesetzgeber zur Zielsetzung, „dem Phänomen der Zerstörung und Privatisierung der Küste entgegenzutreten“. Nach Artikel 45 der Verfassung muss die öffentliche Gewalt für den Schutz der Umwelt, deren Nutzung der Allgemeinheit zusteht, Sorge tragen.

Der Küstenstreifen ist in drei unterschiedliche Schutzzonen aufgeteilt worden, in die Meeres-Strandzone mit der Ausschließlichkeit öffentlichen Eigentums, die 100m (höchstens aber 200m) breite Schutzzone (servidumbre de protección) und die nach Art. 30 LC grundsätzlich 500m breite Einflusszone (zona de influencia).

Als Meeres-Strandzone gelten alle vom Wasser umspülten Flächen, wobei diese bis zu dem Landpunkt reichen, den die Wellen bei Sturmfluten erreichen, also auch solche, die nur gelegentlich überflutet werden. Auch Dünen und die vom Meer aus ansteigenden Felsenküsten gehören bis zu ihren Gipfeln zur Meeres-Strandzone. Aufgrund des Gesetzes sind sämtliche in der Meeres-Strandzone befindlichen Objekte öffentliches Eigentum. Nach Artikel 8 des Küstengesetzes sind private Rechte, selbst wenn diese im Grundbuch eingetragen sind, insbesondere Privateigentum etc., nicht neben dem öffentlichen Eigentum zulässig. Welcher Bereich zur Meeres-Strandzone gehört, ergibt sich aus der Grenzlinie (deslinde marítimo-terrestre). Insoweit existiert ein Anhörungs- und Feststellungsverfahren, wobei die örtliche Küstenbehörde einen Entwurf der Grenzlinie entwirft und diese nach Anhörung der Eigentümer und einer öffentlichen Anhörung dem zuständigen Ministerium weiterleitet. Die endgültige Feststellung der Meeres-Strandzone erfolgt durch Ministerialbeschluss und rein äußerlich durch Markierung der Grenzlinie mit Grenzsteinen. Nach endgültiger Festsetzung der Grenzlinie erfolgt die Anweisung an den Grundbuchrichter, widersprechende Grundbucheintragungen mit einer Art Vormerkung zu versehen. Der betroffene Eigentümer hat die Möglichkeit, klageweise gegen diese staatlichen Maßnahmen vorzugehen. Erfolgt dies nicht, werden die zu Gunsten des Staates lautenden Vormerkungen zu Eintragungen .

Die betroffenen Eigentümer können eine Art zeitlich begrenztes Nießbrauchsrecht mit einer Dauer von 30 Jahren, auf Antrag verlängerbar um weitere 30 Jahre, beantragen. Die Schutzzone (zona de protección), die hinter der Meeres-Strandzone liegt, hat einen Streifen von 100 Meter ab der festgestellten Meeres-Strandzone. Sie gilt als Dienstbarkeit (servidumbre), die privates Eigentum grundsätzlich duldet. Immobilien, die Wohnzwecken dienen, wie auch Hotels sollen grundsätzlich nicht in dieser Zone stehen, es sei denn es werden aufgrund ihrer außerordentlichen Bedeutung wichtige wirtschaftliche Gründe nachgewiesen. Die zulässige Nutzung bedarf der Erlaubnis (autorización) der zuständigen Küstenbehörden. Die am weitesten vom Meer entfernte Zone ist die so genannte Einflusszone (zona de influencia). Hier ist Bebauung zulässig. Die Verkehrszone (servidumbre de tránsito) besitzt einen Streifen von 6 Metern ab der Meeresgrenze mit der Möglichkeit der Erweiterung auf 20 Meter. Dies ist eine Dienstbarkeit, um die Zufahrt zur Strandzone zu ermöglichen.

2. Das Eigentumsrecht in der spanischen Verfassung von 1978:

Artikel 33 der spanischen Verfassung von 1978 erkennt das Privateigentum ausdrücklich an. Allerdings folgt im nächsten Absatz gleich die Beschränkung des Inhalts des Eigentums aufgrund der sozialen Funktion dieses Rechts. Im Deutschen nennt man dies Sozialbindung des Eigentums. Im dritten Absatz des Artikel 33 ist die Entschädigungspflicht bei Enteignung aus berechtigten Gründen des öffentlichen Nutzens oder gesellschaftlichen Interesses sanktioniert. Eine besondere Definition des Eigentums gibt es in der spanischen Verfassung ebenso wenig wie im deutschen Grundgesetz. Es gilt hier der zivilrechtliche Eigentumsbegriff des spanischen Código Civil (Artikel 348 I CC). Danach ist Eigentum das Recht, seine Sache zu nutzen und über sie zu verfügen, soweit Gesetze dies nicht einschränken. Folgt hieraus, dass der Eigentumsbegriff in beiden Rechtsordnungen gleich ist? Anders als das deutsche Grundgesetz, das keinen unterschiedlichen Schutz der Grundrechte kennt, hat die spanische Verfassung drei Klassen von Grundrechten geschaffen, wobei das Eigentumsrecht zur zweiten Klasse mit nur mittlerem Schutz gehört. Es bildet mithin kein Basisgrundrecht. Artikel 33 der spanischen Verfassung betont die „soziale Funktion“ des Eigentums, gibt ihm damit einen Doppelcharakter als Recht des Einzelnen und als Pflichtbeitrag zum Gemeinwohl.

Grundrechte der zweiten Klasse wie das des Eigentums können durch Gesetze eingeschränkt werden, also etwa durch das spanische Küstengesetz. Damit besteht ein geringerer Schutz des Grundrechts des Eigentums gegenüber Grundrechten erster Klasse, wie Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Unverletzlichkeit der Wohnung, Meinungsfreiheit etc.. Zwar kann die Entscheidung der Verwaltung in Bezug auf das Grenzziehungsverfahren vor den Verwaltungsgerichten überprüft werden (Art. 13 LC); auch können unter bestimmten Voraussetzungen vor den Zivilgerichten Ansprüche der „Eigentümer“ eingeklagt werden (Art. 14 LC). Bei Verletzungen des Eigentumsrechts besteht aber nicht die Möglichkeit einer direkten Verfassungsbeschwerde des einzelnen Eigentümers, weder vor dem Verwaltungsgericht noch vor dem Verfassungsgericht. Allerdings kann das Verfassungsgericht dann auch wegen der Eigentumsverletzung angerufen werden, wenn zugleich fundamentale Grundrechte der ersten Kategorie verletzt sind, z.B. das Gleichbehandlungsgebot. Der Schutz des spanischen Eigentumsgrundrechts des Bürgers ist also im Vergleich zum deutschen Recht relativ schwach ausgeprägt. Das Recht, eine Überprüfung des Küstengesetzes durch das Verfassungsgericht zu beantragen, steht spanischen Institutionen zu wie dem Regierungschef, dem spanischen Ombudsmann und den Autonomen Gemeinschaften.

Der heutige spanische Eigentumsbegriff hat seine Wurzeln in der Verfassung der Spanischen Zweiten Republik von 1931, für die wiederum die Verfassung des Deutschen Reiches von 1919 als Vorbild diente. Darin wurde erstmals eine Sozialbindung des Eigentums festgeschrieben. Dieser Eigentumsbegriff der stark gemeinschaftsbezogenen Vorstellung vom Eigentum bildet heute ein wichtiges Element des Eigentums im spanischen Recht. Durch Art. 132 und 45 der spanischen Verfassung stehen dem Privateigentum auch bedeutende andere, ebenfalls mit Verfassungsrang ausgestattete Positionen wie „das Recht aller am Meeresstrand“ und der Umweltschutz entgegen.

3. Der Eigentumsbegriff der Europäischen Menschenrechtskonvention:

Der Eigentumsbegriff der Europäischen Menschenrechtskonvention geht weiter als der der spanischen Verfassung. Spanien, das dieser Konvention zwar beigetreten ist, hat jedoch bei seinem Beitritt einen Vorbehalt gemacht und keinen stärkeren Schutz des Eigentums zugelassen als den, den die spanische Verfassung in Artikel 33 definiert. Deshalb können aus europarechtlichen Gründen auf dieser Grundlage keine Ansprüche mit Erfolg geltend gemacht werden.

4. Enteignungs- und Entschädigungsgarantie nach dem deutsch-spanischen Niederlassungsvertrag:

Artikel 14 dieses am 26.11.1972 in Kraft getretenen Vertragswerkes garantiert den Eigentumsschutz und die Entschädigung bei rechtmäßig vorgenommenen Enteignungen. Das Abkommen enthält jedoch keine für beide Seiten verbindliche Definition des Eigentumsbegriffs. Ein eigener, sog. „vertragsautonomer“ Eigentumsbegriff des deutsch-spanischen Niederlassungsvertrags besteht nicht. Maßgeblich ist deshalb jeweils der nationale Eigentumsbegriff der belegenen Sache. im Hinblick auf den hier anwendbaren spanischen Eigentumsbegriff und hieraus folgende Entschädigungen und im Hinblick auf die stärkere Sozialbindung des Eigentums können aus diesem Vertragswerk keine Sonderrechte deutscher Staatsangehöriger gegenüber beispielsweise spanischen Betroffenen gegen den Spanischen Staat hergeleitet werden.

5. Entschädigung und Sozialbindung des Eigentums:

Artikel 33 Abs. 3 der spanischen Verfassung enthält eine Enteignungsermächtigung mit Entschädigungsgarantie. Unter Enteignung wird der gesamte oder teilweise Entzug bestimmter Eigentumsgegenstände verstanden, wobei der Entzug durch Gesetz oder durch Verwaltungsakt erfolgen kann. Der Eigentümer kann im Falle der Enteignung eine Entschädigung verlangen. Es muss aber als schwimmend bezeichnet werden, was als Enteignung verstanden wird und was als eine entschädigungslose Eigentumsbegrenzung aufgrund der sozialen Funktion des Eigentums zu betrachten ist. Handelt es sich um eine Eigentumsbegrenzung aufgrund der sozialen Funktion des Eigentums, so liegt nach spanischem Verständnis keine entschädigungspflichtige Enteignung vor. Das bedeutet, dass aufgrund der Sozialpflichtigkeit des spanischen Eigentumsbegriffes die spanische Verfassung viel weitergehend ist als das deutsche Grundgesetz. Deshalb muss im spanischen Verfassungsbegriff des Eigentums vom Vorrang der sozialen Funktion des Eigentums gegenüber dessen Privatnützlichkeit gesprochen werden.

6. Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts vom 04.07.1991:

Das spanische Verfassungsgericht hat im Hinblick auf das öffentliche Eigentum der Meeres-Strandzone die Unbebaubarkeit der Strände und der Meeresschutzzone als Sozialbindung des Eigentums angesehen. Die Entschädigung nach den Übergangsvorschriften des Küstengesetzes z.B. durch Einräumung einer zeitlich beschränkten Nutzungskonzession (2 x 30 Jahre) sah das Gericht als in der Regel ausreichend an.

7. Rückwirkung:

Das grundsätzlich geltende Rückwirkungsverbot hilft hier in der Praxis nicht weiter. Der Oberste Gerichtshof stellte mit Urteil vom 21.05.2008 lapidar fest, es sei anerkannt, dass das Rückwirkungsverbot durch Gründe des Gemeinwohls außer Kraft gesetzt sein könne.

8. Ansprüche der betroffenen Grundstückseigentümer gegen die Vertragspartner:

Wurde öffentliches (und damit unveräußerliches) Eigentum verkauft, kann der Käufer sich gegenüber seinem Vertragspartner darauf berufen, dass der Vertrag nach Artikel 1271 Código Civil unwirksam ist. Er kann dann von dem Verkäufer grundsätzlich die Rückerstattung des Kaufpreises verlangen. Ist die verkaufte Liegenschaft nicht bebaubar oder ist das auf dieser errichtete Gebäude auf Grund der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen baurechtswidrig, so stehen dem Käufer verschiedene Rechte gegen seinen Verkäufer zur Verfügung, u.U. auch das Recht, den Vertrag rückgängig zu machen (vgl. hierzu weiterführend: Steinmetz, Öffentliche Baubeschränkungen in Spanien und Vertragsaufhebung, Frankfurt am Main 2004).

Wer deshalb aufgrund der Regelungen des spanischen Küstengesetzes betroffen ist, und vom Spanischen Staat keine Entschädigung für verlorene Eigentumsrechte erhält, sollte deshalb prüfen, ob Ansprüche gegen seinen Vertragspartner bestehen, insbesondere jedoch auch, ob deren Verjährung droht.

Resumé und Ausblick:

Das Ergebnis dieser Studie muss von vielen Betroffenen als ernüchternd empfunden werden. Es basiert aber auf eingehenden Recherchen der Verfassungs- und Gesetzessituation. Es wäre zu wünschen, dass die Politik, wozu insbesondere Demarchen aus Brüssel und aus den EU-Ländern gehören, dieses für viele Betroffene schlechte Ergebnis verändern kann. Aber Politik ist nach Bismarck auch nur die Kunst des Möglichen.

Frankfurt am Main, im November 2008

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Dr. Burckhardt Löber (Rechtsanwalt und Abogado), Alexander Steinmetz, Mag. iur. (Rechtsanwalt), Fernando Lozano (Abogado y Asesor Fiscal)
* Die Autoren sind gleichzeitig auch Koautoren des soeben in 6. Auflage erschienenen Spanien-Ratgebers „AUSLÄNDER IN SPANIEN“, erhältlich für € 34,– über jede Buchhandlung oder direkt bei der edition für internationale wirtschaft, Verlagsauslieferung W. Jenior, Lassallestr. 15, D-34119 Kassel, Tel. 05 61-77 41 48.

Dr. Löber ist als Rechtsanwalt in Frankfurt am Main und als Abogado in Valencia zugelassen. Er betreibt in Partnerschaft mit Rechtsanwalt Steinmetz eine Kanzlei in Frankfurt am Main (Tel. [+ 49] 069 96 22 11 23, www.l-s-w.de) und gemeinsam mit Herrn Abogado und Asesor Fiscal Fernando Lozano eine Kanzlei in Valencia (Tel. [+34] 963 28 77 93, www.loeberlozano.com)